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Samstag, 10. September 2016

Nietzsches Wanderschaft


Friedrich Nietzsche

1876 begannen mit Nietzsches Beurlaubung die Jahre seiner unablässigen Wanderschaft. 1878 gab Nietzsche wegen unerträglicher Kopf- und Augenschmerzen sein Lehramt in Basel auf. Er wurde danach zum »freien Denker« und zum umherziehenden philosophierenden Nomaden. Getrieben von seinen Krankheiten auf der ständigen Suche nach für ihn optimalen Klimabedingungen, reiste er nun viel und lebte von 1879 bis 1889 als freier Autor an verschiedenen Orten.


Friedrich Nietzsche


Immer wieder ist der Nomade Nietzsche auf seiner Odyssee durch Mittel- und Südeuropa auf der Suche nach einem Ort, an dem es sich für ihn, den Augen-, den Magen-, den Migränekranken, den an Herz und Kopf Leidenden, endlich, endlich leben ließe. Jeder neue Ort soll der einzig wahre, der heilende, der erlösende Ort sein mit dem reinen, wolken- und gottlosen Himmel, den Nietzsche braucht. Und jeder Ort entpuppt sich als der falsche - nur der unablässige Wechsel von jäh aufkeimender Hoffnung und jäher Enttäuschung ist beständig.

Nietzsches Nomadenleben ist im Gegensatz zu den magischen Beschwörungen seiner Philosophie der "Ewigen Wiederkunft des Gleichen" eine einzige Nichtwiederkehr. Auch wenn die Zyklik der Bewegung zwischen Alpen und Mittelmeer sich jahreszeitlich bedingt erneuert - zu Hause ist Nietzsche nirgendwo und nie. Nur in Sils-Maria, daneben in Genua, Venedig und Nizza, findet er eine dauerhaftere Bleibe.

Erst der Wahn wird ihn buchstäblich stationär machen. Sein Leben ist ein andauerndes Leidensleben, der dunkle Basso continuo eine unablässige Klage.

Weblink:

Ich leide an zerrissenen Stiefeln - www.zeit.de

Friedrich Nietzsche - www.die-biografien.de

Samstag, 12. September 2015

»Essais« von Michel de Montaigne

Michel de Montaigne

Michel de Montaigne (1533-1592) war zuallererst ein Skeptiker, auch Humanist sowie Politiker mit Zugang zu den einflussreichen Persönlichkeiten der französischen Monarchie am Ende der Renaissance und zu Beginn der Reformation und der beginnenden Gegenreformation.

Montaignes literarische Schaffensphase – von 1570 bis 1592 – fiel in die Zeit der französischen Religionskriege (acht Phasen von Bürgerkriegen zwischen 1562 und 1598). Die Unruhen waren Folge eines schwachen Königtums und religiöser Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Hugenotten, die intensive Gewalterfahrung für Generationen zum Alltag machten, was Montaignes grundlegenden Skeptizismus verstärkt haben mag.


Mit seinen "Essais" hat Michel de Montaigne eine gleichnamige literarische Gattung geschaffen. Darin sinniert er nicht nur über Freundschaft und Einsamkeit, sondern gibt auch Details seines Liebeslebens und seiner Verdauung bekannt.

Bunt gemischt und in leicht verständlicher Sprache steht Allgemeines neben Privatem, Literatur neben Philosophie, Kurioses neben Alltäglichem. Montaignes fragende Haltung, seine Klugheit und Weitsicht, haben diese vor über 400 Jahren verfassten "Versuche" bis heute lebendig gehalten.

De Montaigne macht sich tiefsinnige Gedanken über die verschiedensten Aspekte des Lebens, seines Lebens genauer gesagt, denn der Hauptgegenstand seiner Essais ist er selbst. Seine Selbsterkenntnis, das was ihm durch seine Gedankenwelt schweift, brachte er zu Papier, unterstützt durch viele Zitate von Dichtern des Altertums.

Essais
Essais

Die mit über tausend Bänden glänzend bestückte Bibliothek war sein "Schoß der gelehrten Musen", wie die Inschrift eines Deckenbalkens lautete. Er begann mit der Niederschrift einer philosophischen Abhandlung. Einer äußerst Ungewöhnlichen:

"Dieses Buch, Leser, gibt redlich Rechenschaft. Sei gleich am Anfang gewarnt, dass ich mir damit kein anderes Ziel als ein rein häusliches und privates gesetzt habe."

Das Ergebnis war ein bahnbrechendes Werk über das Wesen des Menschen, noch dazu in einem klangvollen Französisch und nicht wie üblich auf Latein. Montaigne erfand eine eigene Gattung, die er Essai nannte, also "Probe", "Versuch" oder "Übung".


Weblink:

Erfinder der Selbstbeobachtung - www.deutschlandfunkkultur.de

Literatur:

Essais
Essais
von Michel de Montaigne

Dienstag, 27. Januar 2015

Friedrich Schelling 240. Geburtstag


Friedrich Schelling wurde am 27. Januar 1775 in Leonberg im Herzogtum Württemberg geboren.

Schelling war ein deutscher Philosoph, Anthropologe, Theoretiker der sogenannten Romantischen Medizin und einer der Hauptvertreter des Deutschen Idealismus. Er war der Hauptbegründer der spekulativen Naturphilosophie, die von etwa 1800 bis 1830 in Deutschland fast alle Gebiete der damaligen Naturwissenschaften prägte.

Schelling schließt kritisch an Fichtes Wissenschaftslehre an. Natur und Geist bilden eine Einheit. Sie sind zwei Offenbarungen desselben Prinzips, der „Weltseele“. Alles im Universum ist beseelt. Die Kunst ist die höchste Gestaltung alles Irdischen.

1798 wurde der erst Dreiundzwanzigjährige mit der Unterstützung Goethes zum außerordentlichen Professor nach Jena berufen. Er lehrte an der Universität Jena neben Fichte, der allerdings schon 1799 wegen des Vorwurfs des Atheismus seinen Lehrstuhl verlor.

1799 veröffentlichte Schelling seinen Erste[n] Entwurf zu einem System der Naturphilosophie und es entstand das System des transzendentalen Idealismus (1800), in welchem Schelling Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie als gleichberechtigte Grundwissenschaften darstellte.

1803 wurde der Protestant Schelling im Zuge der durch die Säkularisation erforderlichen Neuordnung an die vom Katholizismus geprägte Universität Würzburg berufen. Im Wintersemester 1803/04 begann er dort, wo der Physiologe und Naturphilosoph Johann Joseph Dömling sein Wegbereiter war, seine Tätigkeit als Professor der Philosophie.

Im Frühjahr 1806 ging Schelling nach München, wo er in den bayerischen Staatsdienst eintrat, Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften wurde und bis 1820 blieb. In dieser Zeit hatte Schelling keine akademische Lehrtätigkeit inne.

Ab 1810 arbeitete er jahrelang an der Philosophie der Weltalter, die eine große Philosophie und Theologie der Geschichte werden sollte, aber nie fertiggestellt wurde.

Von 1820 bis 1826 dozierte Schelling als Honorarprofessor ohne feste Lehrverpflichtung in Erlangen.

1827 wurde er als ordentlicher Professor an die neu errichtete Universität München berufen, wo er bis 1841 in seiner zweiten Münchener Zeit Vorlesungen hielt.

Friedrich Schelling starb am 20. August 1854 in Ragaz im Kanton St. Gallen.

Weblinks:

Friedrich Schelling-Biografie

-

Biografien-Portal

- www.die-biografien.de

Friedrich Schelling-Zitate

-

Zitate-Portal

- www.die-zitate.de

Samstag, 24. September 2011

Im Namen der Freiheit

Michel Onfray

Michel Onfrays Werk »Im Namen der Freiheit: Leben und Philosophie des Albert Camus«

2013 erschien bei Knaus ein knapp 600 Seiten dickes Buch des französischen Philosophen Michel Onfray zu Leben und Philosophie des Albert Camus mit dem Titel »Im Namen der Freiheit: Leben und Philosophie des Albert Camus«. Onfray zeigt auf darin, dass und inwiefern Camus Nietzscheaner ist, Sozialist jenseits der verschlafenen Sozialdemokratie, Kommunist jenseits aller Orthodoxie, Freund und Gegner von Sartre (der zumindest ein Stück weit mit den Nazis kollaborierte). Vor allem aber sei Camus ein Mensch aus den ärmsten Schichten Algeriens gewesen, der das Leben, die Frauen, die Menschen und die Natur liebte, die Düfte, das Mittelmeer und das Salz und die Sonne.

Ähnlich wie Foucault war Camus einige Zeit Mitglied der kommunistischen Partei Frankreichs, die er als nicht orthodoxer linker Anarcho-Marxist alsbald wieder verließ. Onfray charakterisiert ihn als jemanden. „der sich nicht nur mit Meer, Sonne und Licht vereinen wollte, sondern auch mit der strahlenden Zukunft des Proletariats“ (129), der also nicht orthodoxer Nietzscheaner war, der sich weigerte, irgendeinen Philosophen nachzubeten oder gar anzubeten, der selbst denken wollte und konnte und dessen Denken von Nietzsches Erkenntnis „Gott ist tot!“ fasziniert war.

Nietzsche, der deutsche Philosoph, der sich nicht in erster Linie als Mensch sah, sondern als Dynamit, der das gesamte abendländische Denken ansteckte, dem begeistert zugestimmt wurde, der aber auch wütend abgelehnt wurde. Denn fast alle abendländischen Intellektuellen nach ihm bezogen sich auf Nietzsches Werke, seine philosophischen („Die Fröhliche Wissenschaft“, „Jenseits von Gut und Böse“) und seine literarischen Arbeiten („Also sprach Zarathustra“) sowie Aphorismen. Gleichviel ob sie sturzkonservative BürgerInnen waren, Völkische Nationalisten (Arthur Möller van den Bruck, Georges Sorel), Faschisten/Nationalsozialisten (Bennito Mussolini, Adolf Hitler, Alfred Rosenberg, Martin Heidegger, Ernst Bertram, Ernst Jünger), Anthroposophen (Georg Steiner), Anarchisten (Gustav Landauer, Michael Bakunin, Peter Kropotkin, John Moore) Marxisten (Hegelianer) (Walter Benjamin, Jürgen Habermas, Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, Georg Lukacs, Ernst Bloch), Literaten (wie Thomas Mann, Gottfried Benn, Stefan George), freie Linke (wie etwa Jacques Derrida, Michel Foucault, Gilles Deleuze, Felix Guattari, u.a.) oder Bratkartoffel Philosophen (Peter Sloterdijk) oder Feministinnen (Lily Braun) und Künstler (Tommaso Marinettis futuristisches Manifest), sie alle  wurden von Nietzsche angeregt. Und dies in unterschiedlichster und oft in ambivalenter oder gar gegensätzlichster Weise.

Den Hintergrund für diesen Boom bildete natürlich die europäische Aufklärung, die man allerdings nicht auf das Ereignis von 1789 reduzieren sollte, sondern die bereits einige Jahrhunderte davor als sich langsam strukturierender Prozess begann und natürlich auch im 19. Jahrhundert und bis in die Gegenwart andauert. Nietzsche wurde so etwas wie das Sprachrohr sich verdichtender Aufklärung, und seine Rezeption war deshalb so breit und widersprüchlich gestreut, weil Nietzsches Ideen so vielseitig und vielschichtig waren und oft so punktgenau Säkularisierung einforderten, dass sie sich den herrschenden Denksystemen oftmals leicht amalgamieren lassen konnten. Gegen Nietzsches „Tod Gottes“ und die Säkularisierung allgemein erhob sich jedoch ein riesiger Widerstand, der selbst noch in solchen Denksystemen zu hausen begann, die sich gegen die alten Werte des Christentums und gegen die sie vertretenden BürgerInnen wandten, was sogar auch noch bei Nietzsche selbst zu beobachten ist: Sein Tod Gottes hat auch ihm Angst gemacht und seine Akzeptanz dieser Einsicht hat ihn möglicherweise in den Wahnsinn getrieben. Dafür spricht, dass Nietzsche in einer orthodox protestantischen Pfarrersfamilie aufgewachsen war, in der das Wort Gottes Gesetz und die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod Gewissheit waren.

Der Philosoph Oliver Flügel-Martinsen hat meines Erachtens zutreffend nachgewiesen, wie selbst bei philosophischen Heroen wie Kant und Hegel der Abschied vom Metaphysischen trotz allen Bemühens scheiterte und ihre Schriften im Kern Zuflucht dazu suchten und diese zu begründen versuchten. Nietzsche und Derrida dagegen gingen von der Ungewissheit des Wissens aus und halten daran auch fest, doch sie befassen sich mit der Frage, wie damit umzugehen sei. Die Antwort lautet:  mit vorsichtigem Philosophieren und, verbunden damit: behutsamen Befragungen. Michel Foucault steuert in eine ähnliche Richtung, indem er die absolute Erkenntnis (Wahrheit) zwar bestreitet, aber nicht die Wahrheiten, die er allerdings als historisch kontingent und  nur als jeweilig und in ständiger historischer und räumlicher Veränderung begriffen sieht.

Das hat dramatische Folgen: Natürlich kann man weiterhin versuchen, in den Glauben zu springen (Kierkegaard); aber Zweifel sind auch dann angebracht, wie zumindest fortschrittliche Kenner der heiligen Schriften wissen. Aber sicher ist: Alle Orthodoxien stehen auf tönernen Füßen, die christliche und die anderer Glaubensrichtungen, also auch die marxistische. Keine(r) kann sicher sein.

Erst wenn der letzte Mensch frei atmen kann, ist das Freiheitsideal erreicht. Das jedenfalls ist die Meinung von Albert Camus.


Weblinks:

Im Namen der Freiheit - www.diss-duisburg.de

Michel Onfray - Wikipedia.org

Literatur:

Namen der Freiheit: Leben und Philosophie des Albert Camus
Im Namen der Freiheit: Leben und Philosophie des Albert Camus
von Michel Onfray